Blogger für Flüchtlinge
Ich komme aus Pirna. Jetzt ist es raus. Und nein, ich bin kein Nazi. Auch kein „besorgter Bürger“. Und ja, ich schäme mich.
Dafür, dass Pirna das Tor zur Sächsischen Schweiz und damit die Hochburg der Nazis ist. Dafür, dass Heidenau gleich nebenan liegt und dort Brände gelegt, Molotow Cocktails geworfen und im alltäglichen Leben anders Aussehende verfolgt werden. Denn genau so ist es.
Das Schlimme für mich sind aber nicht nur die hohlen Neonazis, die aus ihrem Hartz IV heraus Angst haben, dass ihnen der Job von einem Ausländer geklaut wird (warum auch nicht, wenn der „Ausländer“ talentiert und qualifiziert ist), sondern die „besorgten Bürger“, die ja keine Nazis sind. Sondern nur DEUTSCHE, die ihr Land verteidigen wollen. Wogegen? Nein, nicht gegen Krieg, sondern gegen die Flüchtlinge, die hier einfach so herkommen und die einfach so 60 Euro die Woche bekommen. Deutschland sei schließlich schon voll, wir können ja nicht jeden durchfüttern… Das sorgt bei mir für Brechreiz. In solchen Momenten wünsche ich ihnen, auch wenn das so gar nicht nett ist, dass sie einmal Krieg, Hunger und Verfolgung spüren. Und dass sie Angst haben müssen. Angst um ihr Leben, ihre Kinder.
Das Kuriose, ja, die Ironie dabei ist: Ich wette, einige von denen sind vor `89 abgehauen, sind über Ungarn in den Westen geflohen. Nicht, weil Krieg war, aber weil sie sich verfolgt fühlten, weil sie frei sein wollten, auch weil sie ein besseres Leben wollten. Und der Westen? Hat sie aufgenommen, ihnen keine Steine in den Weg gelegt. ABER die Krux daran ist – sie waren ja keine Syrer. Sie waren Deutsche, unbescholtene DDR-Bürger mit reiner Hautfarbe und deutscher Sprache. Ich bin fassungslos, wie viele der „besorgten Bürger“ Unterschiede machen zwischen „guten“ und „schlechten“ Ausländern. Europäer sind zwar mit Vorurteilen behaftet – wusstet ihr, dass die Iren dauerhaft besoffen sind und ihre Frauen dann im Suff schlagen? – aber jene Ausländer, wie Iren, Franzosen, Italiener sind immerhin Europäer. Ich glaube wirklich, dass viele der “besorgten Bürger” so denken – jene Europäer seien eben von ihrer Herkunft her etwas Besseres. Alle anderen werden dann schnell in die Schublade „Brut“ gesteckt. Aber nein, die „besorgten Bürger“ sind ja keine Nazis.
Daher – um nun mal auf den Punkt zu kommen, blogge ich heute FÜR Flüchtlinge. Ich blogge dafür, dass sie hier irgendwann bald ein Heim finden, Sicherheit, eine neue Existenz. Und ich blogge dafür, dass man ihnen mit Respekt begegnet, weil sie gerade alles verloren und hinter sich gelassen haben. Mir jedenfalls gehen die Medienbilder toter Kinder, gerade so alt wie Mini-me, die gegen Felsen geprallt oder ertrunken sind auf ihrer Flucht, nicht aus dem Kopf. Oder Eltern, die ihre Kinder an sich gekuschelt tragen, zitternd vor Angst. Ja, sie alle haben Angst, auch und nun gerade vor Deutschland. Um ihre Kinder. Sie sind verzweifelt, und sie brauchen Hilfe. Sie brauchen keine in Brand gesteckten Zimmer, keine Schläge auf der Straße und keine abschätzigen Blicke der „besorgten Bürger“. Sie brauchen uns. Eine Spende, eine Geste, ein liebes Wort. Denn manchmal ist es egal, welche Sprache man spricht.